Freitag, 27. Oktober 2017

Jetzt sind wir wieder soweit. Meine erste sesshafte Saison mit Ochsen ist zu Ende. Ich hab mich eingelassen und alles gemacht, was ich sonst die letzten Sommer nicht machen konnte und vermisst habe.
Doch so sehr ich es tatsächlich genossen habe, hat dieses Leben mich nicht so getragen und genährt wie das Leben unterwegs.
Das ist ja erstmal nicht schlecht.
Denn so weiss ich nur noch besser, was ich will und brauche und was mir auch tief drinnen gut tut.
Noch zwei Winter und einen Sommer, dann dürften Max und Milan gross genug sein, zumindest mit einer kleinen leichten Kutsche unterwegs sein zu können. Für meine jetzige Kutsche bräuchte es wohl noch ein Jahr mehr. Aber es geht ja auch mit weniger Hab und Gut.

Zu denken gibt mir meine Krankheits- und Unfallserie diesen Sommer, welche leider immer noch andauert. Jetzt Mitte Oktober hat sich der Zeh nochmal entzündet von innen heraus und mich dadurch wieder einen Monat in der Heilung zurückgeworfen.
Ich glaube nicht, dass mir das Schicksal böses will, aber ich seh noch nicht so recht, wo es mich hinführt damit.
Es bringt mich ins Nachdenken und die Gedanken gehen dann manchmal in die Richtung: ob es nicht Zeit wäre noch einen Schritt weiter zu gehen mit dieser Art zu leben. Nein, eigentlich nicht weiter, sondern nochmal zurück an den Anfang.
Wo ich mich ohne Sicherheiten auf dieses Leben eingelassen habe ohne Geld in der Hinterhand und ohne zu wissen, wo ich nächsten Winter sein werde.
Denn das hat sich schon geändert. Jetzt weiss ich wo meine Ochsen sein werden, jetzt weiss ich, wo ich sein werde. So toll das ist, weil es mir ja den Sommer um mehr als einen Monat verlängert, da die Suche wegfällt, so hat es mich auch weggeführt von der Intensität des absoluten unbedingten Einlassens.
Im ersten Jahr war es ja wirklich wie der Versuch auf Wasser zu laufen.
Aber ob ich es schaffe mich nochmal von allen Sicherheiten zu lösen, sprich auch eventuell mal auf meine tollen schweizer Franken im Winter zu verzichten?
Manchmal kann ich die Menschen verstehen, die früher, oder gar heute, sich nur mit einer Schicht Kleidung auf dem Leib auf den Weg gemacht haben. Weil mit jedem Weniger an Besitz, ein Mehr an Intensität und Begegnung mit Menschen, der Natur und dem Leben entsteht.
Aber so weit werd ich dann doch nicht gehen. Denn ohne Ochsen.....


Am Sonntag gehts wieder nach Davos. 18 Kühe und deren Nachzucht melken und versorgen. Darauf freue ich mich.
Und ich kenne eine, die sich wahrscheinlich noch mehr freut: die Piz, die dieses Jahr sehr darunter gelitten hat, dass es weder Arbeit noch Reisen gab. Sie wird mir wieder helfen im Stall. Sie wird sich wieder aufs frische Fleisch stürzen, was die Bäuerin so oft für sie bereit hält. Und sie wird wieder stundenlang vor der Pferdekutsche laufen auf dem Weg ins wunderbare Sertigtal. Und somit sowohl geistig als auch körperlich endlich wieder ausgelastet sein.


Und ich trete dadurch in mein zweites Leben ein, welches geprägt ist von Struktur und dem Wissen was morgen ist.

Mein Blog wird nächstes Jahr wohl pausieren. Mir gefällt es nicht, wenn ich nur mittelprächtige Texte online stelle. Da stell ich lieber keine und warte bis wir wieder unterwegs sind und ich wieder Muse habe.

Ich wünsche euch allen eine ganz gute Zeit!

Noch ein paar Bilder aus 2017







Hier sieht man, dass bei den kleinen Steppenrindern der Hornansatz sich weiss verfärbt hat. Ab jetzt wachsen sie nur mehr in dieser Farbe weiter.



Auch wenn Lothar auf den Fotos nicht mehr oft vertreten ist, so bleibt er doch Basis von allem.

Dienstag, 17. Oktober 2017

Lothars Abschiedsgruss


Das sich Verabschieden vor der Winterpause ist schon immer speziell. Ich erklär meinen Ochsen in klaren Worten jedes Mal die Situation so wie sie ist. Und wünsche ihnen einen schönen Winter in netter Kuhgesellschaft.
Diese bunte Herde ist ein schöner Anblick: ein mächtiger schwarzbunter Ochse, ein dunkelbraunes Originalbraunviehrind, eine grosse graue Brownswisskuh, und dazwischen die zwei kleinen Steppenrinderochsen. Alle behornt.

Max und Milan sind mit dem Ablauf von Sommer und Winterprogramm noch nicht so vertraut, sind noch so jung und mit dem Wesen der Vergänglichkeit nicht so bekannt, doch für Lothar ist es ja nun das 5. Winterquartier seid unserer Losreise. Er weiss was los ist, er kennt den Rhythmus.
Leider ist er ja kein Knuddeltier. Mein Impuls wäre ja immer ihn zu küssen und zu drücken, doch was solls wenn er es nicht mag und so setze ich mich nach meinem Vortrag im Abstand von 2 Metern neben ihn und schaue einfach auf den gegeüberliegenden Hügel der sich dieses Jahr in so schöne Herbsfarben schmückt.
Er liegt und käut noch eine Weile weiter. Dann steht er auf und bleibt stehn, den Körper in meine Richtung ausgerichtet. Und so alle paar Minuten nimmt er einen Schritt auf mich zu, in aller Ruhe weiter wiederkäuend. Ich schaue ihn nicht an, denn auch dieser Kontakt ist ihm manchmal zu direkt, sondern nehm ihn einfach wahr. Irgendwann ist sein Kopf in Höhe meines Knies meiner angezogenen Beine. Und Schritt für Schritt geht er weiter bis sein Kopf rechts von mir und sein Körper links von mir steht, keinen halben Meter vor meiner Nase. Mein Blick, der immer noch geradeaus gerichtet ist sieht jetzt im oberen Teil den schwarzen Bogen von Lothars Hals und im unteren Teil immer noch den schönen Hügel. So bleiben wir eine Weile.
Dann dreht er seinen Kopf zu mir und drückt mir sein Maul an die Backe.
Und geht um mit seiner Herde zusammen zu grasen.

Mittwoch, 4. Oktober 2017

Durch den Unfall hab ich nie erwähnt, wie toll sich Max und Milan entwickelt haben. Der Rhythmus den die Baustelle vorgegeben hat und der auf uns die Auswirklung hatte, dass wir zu den selben Tageszeiten die gleichen Strecken liefen, dann warten oder fressen konnten, hat aus den zwei Kleinen zwei passable Zugochsen gemacht. Kühe lieben Rhythmus. Mit ihren 1 1/2 Jahren laufen sie frei hinter mir her, das Leitseil über das Joch gelegt, lenken sich über Stimm- Sicht- oder Drucksignal, warten auf der Strasse im Joch ohne zum saftig grünen Strassenrand zu laufen und wissen dass man manchmal auf den Seitenstreifen oder in die Wiese ausweichen muss. Sie geben die Beine, lassen sich anschirren, kennen das Ziehen einer Kutsche «beladen» und unbeladen, bergauf und bergab. Und Gott sei Dank haben sie auch in ihrem zweiten Lebensjahr nie versucht durchzugehen.
Nur andere Ortschaften wie dort wo die Baustelle ist konnten wir jetzt nicht mehr üben. Aber dafür haben wir auch noch Zeit.
Heijeijei. Jetzt ist schon wieder so viel Zeit vergangen seid meinem letzten Eintrag.
Es tut mir wirklich leid, aber scheints bin ich ein reiner Reiseschreibemensch.

Mein Zeh ist immer noch dran. Und schaut schon wieder mehr aus wie ein echter rosiger eigener Zeh und nicht wie eine Wunde oder Gehacktes oder Ähnliches. Selbst die oberste Hautschicht zwischen Naht und Nagel, die schwarz war, hat sich mittlerweile von unten her erneuert und konnte abfallen.
So mobil wie vorher bin ich immer noch nicht. Aber zumindest schon fast. Längere Strecken laufen geht nur dann, wenn der Rest vom Tag ruhig ist. Und Pausen brauchts dazwischen.

Sobald ichs mir einigermassen zutrauen konnte bin ich hinter ins Tälchen, hab die Mäuse aus meiner Kutsche ausgesiedelt und mein Zeug zusammengesucht. Ein paar Tage später habe ich sie tausend Tode sterbend mit einem Traktor rausgezogen. Der Weg dorthin ist abschüssig und oberhalb eines z.T steilen Hangs. Doch dieser Teil hat reibungslos geklappt.
Nur danach nicht mehr, als ich auf öffentlichen Strasse unterwegs war und 90 Grad Kurven fahren wollte. Da hat die Deichsel zunächst geknackt und sich verbogen um dann auch noch zu splittern.
Alles wegen meiner Ignoranz.
Ich hatte die Kutsche schon zweimal mit einem Traktor transportiert, also wieso sollte es jetzt nicht klappen? Und mit dieser Uneinsicht hab ichs einfach zu oft probiert. Aber wie ich jetzt gelernt habe, geht es rein technisch gar nicht mit einer fest am Zugfahrzeug angebundenen Deichselschere um eine Kurve zu fahren. Ich hatte die anderen zwei Mal mit der zu ziehenden Strecke einfach nur Glück gehabt!
Und so hab ich jetzt Lothars Deichsel ruiniert, mit der er meine Kutsche die letzten 5 Jahre gezogen hat und die ich extra für das Projekt gebaut hatte. Schlechtes Omen, aber zu Lothars Zustand passend.

Ich habe mich entschlossen in dieser eh durchaus etwas komischen Saison schon in den letzten zwei Septemberwochen die Kutsche winterfest zu machen. Also alle Decken, Kleider, Zaunpfähle, Planen usw zu waschen, zu sortieren in was ich über den Winter noch brauche, alles Leder zu putzen, zu ölen und zu fetten, auszusortieren, und  schlussendlich alles mäusesicher, feuchtigkeitssicher und platzsparend  zu verpacken.
Mein Jahresabschluss hat immer mit Ordnung in der Kutsche zu tun.