Samstag, 26. August 2017

In mir ist eine stetige Sehnsucht mich zu weiten. Meine Grenzen, die mir mein Körper setzt aufzulösen. Ich möchte lernen zu sehen, zu spüren wie alles zusammenhängt. Wie der Stern mit dem Stein, der Mensch mit dem Himmel, das Blatt mit dem Licht zusammenhängt. Ich möchte diese Verwobenheit spüren können. Eins sein und zwei zugleich.

Oft fühl ich mich als wär ich blind obwohl ich sehen kann. Als wäre über mir eine Glocke, die mich daran hindert wirklich alle Sinne zu gebrauchen.
Ich bin kein Mensch der sich in dieser Hinsicht gern einer äusserlichen Führung anvertraut. Aber im Grunde brauchts das auch nicht. In einem selber ist so erstaunlich viel Wissen drin. Man muss es nur schaffen dranzukommen und es freizulegen.
Es ist nur ein sooo langsamer Prozess. Ersmal muss ich ganz tief in die Ruhe kommen und dann realisieren dass da was ist. Dann sacken lassen, überprüfen und meistens bin ich dann schon wieder abgelenkt und so verläuft sichs wieder im Sande.
Äussere Umstände sind da ein Faktor, aber auch die Macht der Gedanken. Ich möchte den Zustand ausweiten, in dem ich die Gedanken als sinnvolles Handwerkszeug einsetzte, und ihn alltagstauglich festigen. Wie ichs auch mit meinen Händen und Füssen mache. Sie zu gebrauchen wenns nötig ist und sonst ruhen zu lassen. Meine Hände drehen ja auch nicht unkrontrolliert im Kreise, wenn ich sie mal grad nicht benutze. Genause möchte ich, dass meine Gedanken ganz ruhig sein können um anderem Platz und Raum zum Ausdruck zu geben.

Freitag, 18. August 2017


Seid eineinhalb Wochen lieg ich und lieg und lieg. Nach 4 Tagen Krankenhaus mittlerweile im Haus von Freunden, die im Urlaub sind.
Erfreulicherweise ist mir nicht langweilig. Die Zeit ist zwar zäher, dehnbarer, aber wird mir nicht zu viel. Mit dem täglichen sich umsorgen (obwohl ich mich gar nicht ums Essen kümmern muss), Kindern vorlesen, Akkordeon spielen, lesen und schlafen ist der Tag auch schnell rum und hat seinen ganz eigenen Rhytmus gefunden.
Auf meiner Kutsche gäb es viel Arbeit für mich, doch meine Kutsche ist unerreichbar fern. Und die netten Leute, die bisher den langen Weg dorthin auf sich genommen haben, habe ich nur um das Wesentliche geschickt. Denn das ist anstrengend genug, wenn man keinen Ochsen hat, ders für einen erledigt. Zu Wesentlich zählt definitiv mein komplettes Bettzeug, das Akkordeon, damits sicher keine Nässe abbekommt, der Computer und ein paar Kleidungstücke.
Sehr schmunzlen musste ich über mein Patenkind, für den es sehr wichtig war auch alleine raus in mein Tälchen zu ziehen um mir was zu holen. Er bot sogar an den Bollerwagen nach hinten zu ziehen um viel holen zu können. Schlussendlich schnallte er sich aber nur seinen Kinderrucksack um und zog los mit dem Auftrag mir Kleidung zu holen. Nach einer Stunde war er wieder da. Sehr stolz. Als ich den kleinen Rucksack aufmache und die ersten Sachen rausziehe, sagt er: «das ist erstmal noch mein Zeug». Als erstes kam sein Stoffbär zu Tage, dann zwei seiner momentanen LieblingsDVD und dann noch eine Tüte Schokolade, die er auf dem Weg dorthin geschenkt bekommen hat. Damit war der Rucksack schon wieder halb leer. Für mich kam noch 1 TShirt, 1 Pulli, meine blaue Wolljacke, 2 paar Socken und ein paar Unterhosen hervor. Aber immerhin.
Alles andere wartet im Tälchen auf mich und harrt der Dinge. Wenn ich an meinen «Kühlschrank» denke, also ein Fass im Bach, in dem manche Dinge sicher schon ihren Aggregatzustand geändert. Aber das kann ich auch nicht ändern. Und so ist auch mein Lederbearbeitungszeug noch hinten um Piz ein neues Halsband zu machen und der Schulranzen meines Patenkindes, der ein paar neue Nähte braucht.

Ich nehm alles so hin wie es ist und geniesse die Zeit. Lass mich ein auf das was ist. Auf die neuartige, andersartige Langsamkeit und die Stille, die Natur die ich spüre wenn ich aus dem Haus rolle und das Geschenk des Windes, wenn er über mich drüber streicht.
Es in meiner Verantwortung was passiert ist und damit meine ich nicht die äusserlichen Umstände.

4 Tage muss ich noch liegen und dann bekomme ich für 14 Tage einen Vorderfussentlastungsschuh. Mit dem darf ich dann auch wieder stückweise belasten. Und wenn ich damit schmerzfrei laufen kann ohne Krücken, dann kommt ein Leben mit Ochsen wieder in Frage, denn dann komm ich auch wieder hinter in mein Tälchen und kann ihnen Wasser schleppen. Ob sich dies vor meiner Winterpause noch rentiert, weiss ich nur noch nicht.
Anfang Oktober stall ich die Ochsen ja in der Regel ein um die Kutsche und alles was dazugehört winterfest zu machen. Und um zwei Wochen vor der Winterarbeit noch Zeit für Program ohne Ochsen zu haben. Für das brauch ich aber auch einen gesunden Fuss, kanns also nicht in die jetzige Zeit legen.

Lothar, Max und Milan haben den Ortswechsel so hingenommen, als wär es das Normalste von der Welt gewesen und haben sofort ihre alten Muster wieder aufgenommen. Max und Milan liegen im Stall und geniessen es bei Regen nicht draussen sein zu müssen. Und Lothar liegt auf seinem Stammplatz und schaut pünktlich zu Fütterungszeit im Stall vorbei. Eigentlich haben Max und Milan für dieses Jahr auch schon
genug gelernt. Das alles ist beruhigend zu wissen.

nach dem Fädenziehen gestern. Äusserlich hält der Zeh nun wieder von allein. Aber innerlich muss er noch weiter zusammenwachsen

Donnerstag, 10. August 2017

So oft passiert nichts und einmal solls halt passieren
Am Montag Nachmittag räume ich Holz weg und stosse meine Axt, die in 40cm Höhe neben mir liegt irgendwie runter. und sie fällt auf meinen Fuss. Tut n bisschen weh, aber nicht so tragisch, doch als ich dann doch einen Blick mache, kann ich meinen Augen nicht trauen. Die Axt muss mit der Schneide voran gefallen sein und hat mir den mittleren Zeh meines rechten Fusses sauber am obersten Gelenk fast vollständig abgetrennt. Sauber liegen Fleisch und Knochen da und ein Teil meines Körpers, der doch eigentlich zu mir gehört baumelt runter. Unter Schock kann ich mir das alles ganz nüchtern anschauen ohne Graus und ohne jeglichen Schmerz. Nur mit der Gewissheit: Ich muss jetzt ins Krankenhaus.
Ganz nüchtern sage ich meinen Freunden Bescheid, schnüre mir noch selbst was Kühles mit einem Handtuch unter den Fuss und versichere allen, sie sollen sich keine Sorgen machen. Der Mann meiner Freundin fährt mit dem Auto vor und ich steige ein. Spüre, dass das Blut zu fliessen beginnt und auch der Schmerz einsetzt. Der Mann gräbt schön Geschichten aus um mich abzulenken in den 20 Minuten zum Krankenhaus. Ich versuche vergeblich jemand aus meiner Familie zu erreichen, will einfach eine ganz vertraute Stimme hören und erzählen. Doch keine Mutter, keine Schwester nimmt das Telefon ab. Also begnüge ich mich weiter mit Geschichten. Lache viel rede nur Blödsinn und fühl mich als hätt ich 40 Kaffee getrunken.
Erst im Krankenhaus auf der Liege, während eine Schwester das Handtuch abbindet und den Fuss reinigt wird mir klar was eigentlich los ist und als dann die Ärztinnen damit anfangen meinen Fuss lokal zu betäuben kommen mir die ersten Tränen und die Verzweiflung. Da wage ich auch nicht mehr hinzuschauen. Bitte aber eine Anwesende, für mich ein Foto zu schiessen.

Nachdem herauskommt, dass die Sehnen durchtrennt sind, zieht die Oberärztin selber sich um und kommt mit ans Fussende meiner Liege. Natürlich versuchen alle mich abzulenken und so erzähle ich von den Ochsen und meiner Tour und auf die Frage wer sich jetzt um sie kümmern würde, fragte ich in die Runde, wer von ihnen denn diese Aufgabe gerne übernehmen würde. Natürlich rattert bei mir auch schon im Kopf die Frage: wie geht es weiter?
Erst als alles geflickt ist schaue ich wieder hin und jetzt mit dem Zeh wieder an Ort und Stelle und der sauberen Naht schaut doch alles schon gar nicht mehr so schlimm aus. Doch meine Freude wird gebremst durch die Ärztin, die striktes Liegen verordnet und sagt, dass erst die nächsten Tage zeigen werden, ob mein Zeh auch wieder vom Körper angenommen wird. Ich bekomme noch eine Gipsschiene und werde dann - vermeintlich für eine Nacht - auf ein Zimmer gebracht.

Aber was für ein Zimmer. Das zweite Bett ist leer und der Blick geht auf Wald, die Kastelburg von Waldkirch, Waldkirch selber und den Kandel mit Kandelfelsen. Eine der ersten Sachen die ich mache, nach dem ich mich einigermassen eingefunden und meinen Rollstuhl bekommen habe, ist die grossen Fenster ganz aufzureissen um die Geräusche der Natur, die Luft und das Leben herein zu mir zu lassen. Nachdem ich bei dem Versuch mein Bett näher ans offene Fenster zu stellen fast umgekippt bin, begnüge ich mich mit der Distanz und nehme mein neues Zuhause in Beschlag.
Mein erster Tag im Krankenhaus ist wie Urlaub. Schön gedopet mit Schmerzmitteln spüre ich rein gar nichts und geniesse meinen Wald und den Wind der durchs Fenster kommt und über mich herüber streicht. Ich telefoniere, lasse mich bemitleiden und probiere die verschiedensten Stellungen aus, die ein Krankenhausbett elektrisch einem zur Verfügung stellt.
Das klingt jetzt ein bisschen arg romantisch. Eigentlich drehte sich mein erster Abend um die Ochsenfrage. Was mach ich jetzt mit den Dreien? Eine Woche (so ein Blödsinn) sage ich mir, bin ich sicher nicht fähig meine Ochsen zu versorgen. Soll ich jetzt jeden Tag Freunde bitten ins Tälchen zu laufen um sie zu tränken und Wiese zuzustecken?
Nein, das geht nicht und so frage ich im Ochsenwinterquartier an, ob ich Lothar, Max und Milan zu ihnen auch mal in den Sommerurlaub schicken dürfte. Erstmal für eine Woche (nochmal der selbe Blödsinn). Ein anderer Freund von mir, wo Lothar in seinem zweiten Winterquartier war, erklärt sich auch sofort bereit, die Ochsen mit seinem Auto und Hänger zu holen. Nachdem das organisiert, und noch mehr, nachdem sie es tatsächlich geschafft haben alle drei sicher auf den Berg zu bringen, ja dann kann ich eigntlich erstmal richtig loslassen. Und diese Hilfsbereitschaft gibt mir die Möglichkeit auf unbestimmte Zeit nichts zu tun, was den Zeh gefährden könne.
Doch nicht nur im Ochsentransport wird mir geholfen. Aus dem Weiler wo die Baustelle bekomme ich Angebot über Angebot, wo ich erstmal unterkommen kann. Denn klar wird natürlich auch, dass ich persönlich mein Zelt und die Kutsche lange nicht mehr zu Gesicht bekommen werde. Zu lange und uneben der Weg dorthin.

Ja und nun sitzte ich immer noch im Krankenhaus. Drei Nächte bisher. Jeden Morgen roll ich mich runter zum Verbandswechsel, hoffend, dass der Zeh, den wir auspacken eine rosige Farbe hat und keine blaue. Und bis jetzt, toitoitoi, schaut alles gut aus.
Er zieht sich zwar nach oben, aber das will mir egal sein, solange die Farbe stimmt. Nur wenn die Schwestern zum Putzen an der Wunde anfangen, verlier ich die Fassung, denn dann schiesst ein unbeschreiblicher Schmerz das Bein hoch und gräbt sich in mein Inneres.
Aber für den Rest der Zeit spür ich gar nichts, dank Schmerzmittel und Co. Und ein Hoch auf die Erfindung des Antibiotikas natürlich!